Ein Kompass im Dickicht

 

Tier im Recht transparent

Bolliger, Goetschel, Richner, Spring,

Schulthess Verlag 2008,

560 Seiten, broschiert, CHF 49.-,

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Haftung
 

2   Haftung

 

2.1  Anwendbares Recht

Gemäss Art. 56 Abs. 1 OR haftet der Halter eines Tieres für den vom Tier angerichteten Schaden, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet hat, oder dass der Schaden auch bei der Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Gemäss Art. 56 Abs. 2 OR bleibt ihm der Rückgriff vorbehalten, wenn das Tier von einem anderen oder durch das Tier eines anderen gereizt worden ist. Das bedeutet, dass der Tierhalter grundsätzlich immer für den von seinem Tier angerichteten Schaden haftet. Er muss aber unter gewissen Umständen für den Schaden nicht oder nur teilweise aufkommen. Kann er nämlich nachweisen, dass er alles getan hat, was in seiner Macht lag, um den Schaden abzuwenden, und der Schaden trotzdem - aus unvorhersehbaren Gründen - eingetreten ist, kann er sich von seiner Haftung befreien. 

 

Beispiel: Anna F. unterhält sich auf dem Trottoir mit ihrer Nachbarin. Ihren jungen, noch etwas ungestümen Hund, hält sie an der ausziehbaren Leine. Nina, das sechsjährige Mädchen der Nachbarin möchte von den Erwachsenen unbemerkt - den Hund streicheln. Unversehens braust der Hund auf und beisst das Kind am Arm. Das weinende Mädchen muss unverzüglich verarztet werden; ihre Strickjacke ist zerschlissen. Die Kosten für den Arzt und die Jacke belaufen sich auf 350 Fr. Es stellen sich folgende Fragen: Hat Anna F. die «gebotene Sorgfalt» gemäss Art. 56 Abs. 1 OR gewahrt? Wer hat für diesen Schaden aufzukommen?

 

2.2  Bedeutung der Tierhalterhaftung in der Praxis

Die wenigsten Schadenfälle, an welchen Tiere beteiligt sind, kommen vor Gericht. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Tierhalterhaftung von Art. 56 OR ist im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten bescheiden. Vielfach sind auch die Streitwerte relativ gering, so dass man damit nicht an das Bundesgericht gelangen kann. Glücklicherweise werden die Streitfälle in der Regel von den Haftpflichtversicherungen gedeckt (vgl. 3. Versicherung des Tierhalters). Nachfolgend geht es darum aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen jemand haftet. 

 

Beispiel: Dalmatinerhündin Myrta ist aus unerklärlichen Gründen aus einer umzäunten Liegenschaft auf die nahe gelegene Strasse gerannt und hat einen schweren Unfall verursacht. Der Geschädigte hat vom Eigentümer der Hündin unter dem Titel «Schadenersatz» den Betrag von 300'000 Fr. eingeklagt und auch bekommen.

 

2.3  Begriff des Tierhalters

Als haftpflichtiger Tierhalter gilt, wer die sogenannte «Verfügungsgewalt» über ein Tier hat. Diese Verfügungsgewalt darf sich nicht in einem kurzfristigen Gewaltverhältnis erschöpfen. Wer also die Hundeleine nur einen kurzen Moment in der Hand hält, während der Hundehalter am Kiosk eine Zeitung kauft, wird damit noch nicht zum haftpflichtigen Hundehalter. Die Verfügungsgewalt über ein Tier besitzt zum Beispiel, wer für dessen Haltung und Unterhalt sorgt und über die Verwendung des Tieres bestimmen kann. Entscheidend sind die konkreten Verhältnisse. Sie sind in jedem Fall einzeln zu prüfen. So wird beispielsweise der Eigentümer eines Tieres als Tierhalter auch dann als Tierhalter ins Recht gefasst, wenn er von seinem Wohnort abwesend ist und die Beaufsichtigung seines Tieres seinem Sohn oder seiner Tochter überlässt. Diese sind, wenn mündig, als sogenannte «Hilfspersonen» des eigentlichen Tierhalters zu bezeichnen, und falls ihnen der Hund durchbrennt, müssen sie im Schadenfall damit rechnen, neben dem Eigentümer als Hilfsperson ins Recht gefasst zu werden.

 

Beispiel: Globus, das übermütige Pferd (BGE 104 II 23): Der Vorfall mit dem Pferd Globus gibt Aufschluss darüber, wann jemand im Sinne des Bundesgerichts als Tierhalter zu betrachten ist. Globus, das Pferd einer Reiterin, hatte gegen ein anderes ausgeschlagen und dabei einen anderen Reiter verletzt, der einen offenen Unterschenkelbruch erlitt. Das Bundesgericht hatte sie als Halterin des Pferdes betrachtet, obwohl es ihr nicht gehörte. Sie hatte es bloss gemietet, aber als Mieterin schon genügend Gelegenheit gehabt, sich mit den Eigenarten des Pferdes vertraut zu machen. Sie kannte auch den jugendlichen Übermut des Tieres. Schon seit zwei Wochen hatte sie das Pferd regelmässig geritten und gepflegt. Vor dem Ausritt sattelte und zäumte sie es jeweils und striegelte und pflegte es anschliessend auch selbst. Sie galt überdies als gute Durchschnittsreiterin und war im Besitz der sog. A-Lizenz. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Reiterin unter diesen Umständen für die Zeit, in der sie das Pferd in Gewahrsam hatte, als Tierhalterin betrachtet werden muss: «Sie verfügte nicht nur selbständig über das Tier, sondern war als erfahrene Reiterin auch in der Lage, die von einem Tierhalter verlangte Sorgfalt anzuwenden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte [Reiterin] das Pferd angeblich nicht auswählen konnte, ihre Verfügungsmacht sich auf die Befugnis eines Reiters beschränkte und dass Globus auch anderen Personen zum Ausreiten überlassen wurde. Es genügt, dass die Beklagte jeweils während ein paar Stunden die faktische Gewalt über Globus hatte und diese auch ausüben konnte, zumal der Eigentümer ihr nach eigenen Angaben bereits seit 14 Tagen das gleiche Pferd zuteilen liess, auf ihre Vertrautheit mit dem Tier also bewusst Rücksicht nahm. «Tierhalter kann damit auch sein, wer gar nicht Eigentümer des Tieres ist. Wie aus diesem Entscheid klar wird, kommt es darauf an, wer auf Grund der Vertrautheit mit dem Tier tatsächlich in der Lage ist, die Herrschaft über das Tier auszuüben und die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden. Wer diese Eigenschaften erfüllt, gilt als haftpflichtiger Tierhalter nach Art. 56 OR. Ob er allein oder zusammen mit dem Eigentümer haftet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im vorliegenden Fall war der Vermieter des Pferdes nicht als Tierhalter angesehen worden, obwohl er dessen Eigentümer war: «Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, hatte der Beklagte [Vermieter und Eigentümer des Pferdes] keinen Anlass, das Pferd Globus wegen dessen jugendlichen Übermutes oder weil es gelegentlich gegen andere Pferde ausschlug, nicht zum Ausreiten herzugeben. Da die beklagte Reiterin mit der Eigenart des Tieres bereits vertraut war und als gute Reiterin galt, brauchte der Vermieter ihr auch keine besonderen Weisungen zu erteilen oder sie gar vor dem Pferd zu warnen. Er durfte nach Treu und Glauben vielmehr davon ausgehen, dass die Beklagte im Umgang mit Globus die wegen dessen Alters gebotene Vorsicht beachten werde. Bei dieser Sachlage geht es nicht an, den beklagten Vermieter für die Zeit des Unfalles als Tierhalter bezeichnen zu wollen, weil er Eigentümer des Pferdes war, es in seinem Reitstall verwahren und pflegen liess, es bestimmten Reitern zuteilte und damit Geld verdiente. Entscheidend für die Tierhaltereigenschaft ist, dass das Pferd - wenn jeweils auch nur für einige Stunden - in den Gewahrsam einer erfahrenen Reiterin überging und diese in der Lage war, andere vor einer Schädigung durch das Tier zu bewahren. Die Halterschaft muss nicht durch eine längere Dauer der Beziehung zum Tier «ersessen» werden. Als Tierhalter während Reitstunden, folglich auch zur Zeit des Unfalles, ist daher im vorliegenden Fall nur die Beklagte [Reiterin] anzusehen.» 

 

2.4  Schadensbegriff

Damit Art. 56 Abs. 1 OR zur Anwendung kommt, muss ein Schaden vorliegen. Der Schaden ist die ungewollte bzw. unfreiwillige Vermögensverminderung. Er kann in einer Vermehrung der Passiven, einer Verminderung der Aktiven oder in entgangenem Gewinn bestehen. Darunter versteht man primär einen finanziellen, in Franken und Rappen bezifferbaren Schaden. Ein entgangener Genuss ist grd. nicht schadensersatzpflichtig (vgl. BGE 115 II 481 f. E. 3a).

 

Beispiele von Schäden: Heilungskosten bei Bisswunden, Neuanschaffungskosten bei zerrissenen Kleidern, Kosten eines allfälligen Erwerbsausfalls, Invaliditätskosten usw.

 

2.5  Kausalzusammenhang

Unter Kausalzusammenhang versteht man die Beziehung der Schadensursache und dem eingetretenen Ereignis. Es geht hier also um die Frage, ob das Geschehen, für welches jemand die Verantwortung trägt, als rechtlich relevante Ursache eines Schadens zu betrachten ist. Eine Haftung des Tierhalters setzt einen natürlichen resp. einen adäquaten Kausalzusammenhang voraus. Um das Vorliegen eines sogenannten natürlichen Kausalzusammenhangen festzustellen, muss geprüft werden, ob der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn das zu beurteilende Ereignis nicht stattgefunden hätte. Danach ist jedes Ereignis natürlich kausal, das nicht weggedacht werden kann, ohne dass damit auch der Erfolg entfällt (conditio sine qua non). Der Erfolg tritt also bei Ausbleiben der Ursache nicht ein.

 

Beispiel: Wenn Anna F. keinen Hund gehalten hätte, wäre das Nachbarskind Nina nicht von diesem gebissen worden.

 

Der natürliche Kausalzusammenhang, der zu weit greift, wird durch den adäquaten Kausalzusammenhang eingegrenzt. Dieser führt zu einer Haftungsbegrenzung. Gemäss Bundesgericht gilt ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt des Erfolges also durch das Ereignis als begünstigt erscheint (BGE 123 III 110 ff. E. 3a).

 

Beispiel: Wenn Anna F. ihren jungen, verspielten Hund unbeaufsichtigt herumstreunen lässt und sich in der Nähe das Nachbarskind Nina aufhält, welches den Hund gern streicheln möchte, so ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass der Hund in spielerischer Absicht nach der streichelnden Hand schnappen und dem Kind eine Bisswunde zufügen wird.

 

2.6  Widerrechtlichkeit

Schliesslich besteht eine Haftung grundsätzlich nur für widerrechtlich zugefügten Schaden. Widerrechtlichkeit liegt namentlich dann vor, wenn die Schädigung gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht verstösst, indem ein absolutes Recht des Geschädigten (z.B. Leben, Gesundheit) beeinträchtigt wird. 

 

Beispiel: Wenn Anna's Hund das Nachbarskind beisst, erleidet dieses eine Körperverletzung. Eine Körperverletzung ist immer widerrechtlich. 

 

2.7  Sorgfaltspflicht

Die Haftung des Tierhalters für Schäden, die sein Tier anrichtet, ist ausserordentlich streng. Insbesondere den Halterinnen und Haltern von potenziell gefährlichen Hunden ist dringendst zu empfehlen, eine Privathaftpflichtversicherung abzuschliessen oder sich bei der bestehenden Haftpflichtversicherung zu erkundigen, ob durch die Versicherung auch solche Schäden gedeckt sind, und zwar auch dann, wenn den Tierhalter ein leichtes oder mittleres Verschulden trifft. 

Um sich von der Tierhalterhaftung zu befreien, muss der Tierhalter darlegen können, dass er alles Notwendige getan hat, um den Schadenseintritt zu vermeiden. Der Entlastungsbeweis gelingt ihm, wenn er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei der Verwahrung und Beaufsichtigung seines Tieres hat walten lassen oder wenn der Schaden auch bei Beachtung aller Aufmerksamkeit eingetreten wäre. Die Anforderungen an den «Exzeptionsbeweis» sind in der Praxis allerdings sehr hoch.

 

Beispiel der Dalmatinerhündin Myrta (BGE 110 II 136; Praxis 73, 1984, Nr. 172): Dalmatinerhündin Myrta verursachte einen Unfall, den sie mit ihrem eigenen Leben bezahlen musste und durch den sie ihrem Eigentümer einen Schaden von 300'000 Franken eingetragen hat. Nachdem die Hündin nämlich unerwartet auf eine Strasse rannte, kam es zwischen zwei Fahrzeugen zu einem frontalen Zusammenstoss, bei welchem einer der Lenker schwere Verletzungen erlitt. Der Eigentümer von Myrta weilte im Zeitpunkt des Unfalles im Ausland. In der gemeinsamen Villa am Genfersee hielt sich nur noch dessen Ehefrau auf, die aber nach eigenen Angaben ebenfalls nicht zu Hause war, sondern mit dem Auto nach Genf gefahren war. Sie hatte die Hündin während ihrer Abwesenheit in der verschlossenen Küche gelassen. Das Haus grenzte mit einer Seite an den Genfersee und war gegenüber den anderen Nachbarn und der Strasse hin mit einem Zaun umgeben. In erster Instanz folgte das Gericht der Meinung des Tierhalters, wonach dieser seine Sorgfaltspflicht ausreichend erfüllt habe. Es ging davon aus, dass der Hundehalter nicht mit einem solchen Verhalten des Hundes habe rechnen müssen. Es sei schliesslich ein friedliches und harmloses Tier gewesen. Das Genfer Obergericht entschied auch zu Gunsten des Tierhalters. Doch drehte das Bundesgericht die Sache um und anerkannte die Haftpflicht des Hundehalters. Es vertrat die Auffassung, dass der Eigentümer erstens eindeutig Halter der Hündin war und zweitens den Entlastungsbeweis nicht erbringen konnte.

 

Der Eigentümer von Myrta hätte sich von der Haftung befreien können, wenn er den Nachweis hätte erbringen können, dass er das Tier mit aller nach den Umständen gebotenen Sorgfalt verwahrt und beaufsichtigt habe. Das Bundesgericht hält aber ausdrücklich fest, dass es sehr hohe Anforderungen an diesen Nachweis stellt, was die Tierhalterhaftung zusätzlich verschärft. Bestehen nämlich Zweifel an den Tatsachen, die der Tierhalter zu seiner Entlastung vorbringt, können ihn diese von der Haftung nicht befreien, da das Bundesgericht diesbezüglich die im angefochtenen Entscheid festgestellten Tatsachen seiner Beurteilung zu Grunde legt. Um die Sorgfaltspflichten im vorliegenden Fall zu konkretisieren, fragte das Bundesgericht zunächst nach der Gefahr, die ein entlaufener Hund für die Strassenbenützer darstellt. Unerheblich sei, dass die Hündin von sanftem und ruhigem Wesen war. Die entscheidende Frage war, ob nicht besondere Vorsichtsmassnahmen geboten waren, auch wenn die Hündin ihrem Vorleben nach nicht zum Herumstreunen neigte, und ob diese vom Halter oder der an seiner Stelle handelnden Hilfsperson wirklich getroffen wurden. Im Hinblick auf den heutigen intensiven Strassenverkehr stellt die Rechtsprechung diesbezüglich erhöhte Anforderungen. Im vorliegenden Fall gab es insgesamt keinen Hinweis darauf, dass die Hündin an den Strassenverkehr gewöhnt war. Aus diesem Grund prüfte das Bundesgericht nicht näher, welche Sorgfalt in diesem Fall vom Halter gefordert würde und kam zum Schluss «Es musste daher mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass die Hündin, einmal frei gelassen, unerwartet eine naheliegende Strasse mit dichtem Verkehr überqueren und daraus Schaden für andere erwachsen könnte. Es musste sich dem Halter als ganz elementare Vorsichtsmassnahme aufdrängen, die Hündin daran zu hindern, aus der Liegenschaft zu entweichen und zur nahen Strasse zu laufen.» Es bestand völlige Ungewissheit, wie Myrta aus der Liegenschaft entweichen konnte. Die Ehefrau hatte zwar behauptet, dass sie die Hündin in der Küche eingeschlossen hatte. Die Tatsache, dass sie dennoch entweichen konnte, stand dieser Aussage gegenüber. Wie Myrta entweichen konnte, war also nur zu vermuten. Sie konnte entweder über die nicht vergitterte Seeseite den Zaun umgehen oder durch ein Tor entweichen, welches entweder von einem Dritten geöffnet oder von der Ehefrau nach der Wegfahrt nicht mehr geschlossen wurde. Ausgehend von diesem Sachverhalt erkannte das Bundesgericht: «Auf jeden Fall kann nicht gesagt werden, der Halter habe unzweifelhaft bewiesen, dass die Hündin eingeschlossen wurde und ihr Entweichen auf einen Umstand zurückzuführen wäre, für den er nicht einzustehen hat.»

 

Beispiel «Achtung vor dem bissigen Hund» (BGE 102 II 232): In diesem Fall ging es um die Sorgfaltspflicht des Tierhalters. Ein Bauer hielt seinen Hund an einer drei bis vier Meter langen Kette, der damit auf den Hof des Bauernhauses gelangen konnte, dem ein kleines Restaurant angegliedert war. Als sich eine Gruppe von Wanderern dem Restaurant näherte, stürzte der Hund aus der Scheune und zerriss, obwohl er an der Kette angebunden war, einem der Wanderer den Mantel. Einem zweiten Wanderer erging es wesentlich schlechter. Derart erschreckt über den plötzlichen Angriff des Hundes stürzte er über eine kleine Mauer und fiel in eine Baugrube. Dabei zog er sich erhebliche Verletzungen zu, die zur teilweisen Invalidität führten. Für diesen Schaden verlangte er vom Hundehalter Schadenersatz von über 200'000 Franken. In diesem Fall war klar, dass der beklagte Tierhalter den Schaden grundsätzlich übernehmen musste. Er war im Zeitpunkt des Unfalles Halter des Hundes und auch in der Lage, die geforderte Sorgfalt anzuwenden. Um sich von der Haftung zu befreien versuchte er hingegen darzulegen, dass er alle notwendigen Sicherheitsmassnahmen getroffen hatte. Das Bundesgericht folgte seiner Auffassung allerdings nicht. Zwar wurde eine Tafel «Achtung vor dem Hund» an der Scheunenwand angebracht. Sie war aber zu klein und zu unauffällig, als dass sie von den Wanderern frühzeitig hätte wahrgenommen werden können. Ausserdem war die Kette zu lang, an der der Hund angebunden war. Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die Kette kürzer gewesen wäre. Der Fall zeigt auch deutlich, dass Fälle von Tierhalterhaftung schnell «ins grosse Geld» gehen können.